1908 wurde der „Sozialdemokratische Verein für Cleve/Geldern“ gegründet

110 Jahre für Demokratie und Rechtsstaat

 

„Es waren mutige Männer, die vor 110 Jahren im Kaiserreich den Sozialdemokratischen Verein für Cleve/Geldern gründeten. Ihr Einsatz für Demokratie und Freiheitsrechte und damit gegen die Monarchie war nicht ungefährlich in einem Polizeistaat, der alles und jedes überwachte und mit seinen Spitzeln überall präsent war“, erklärt der Straelener Sozialdemokrat Otto Weber, der sich seit langem mit der Geschichte der Kreis Klever SPD beschäftigt.

Die Namen der damaligen SPD-Gründer fand Otto Weber in den Polizeiakten des Hauptstaatsarchivs in Koblenz, wo die Unterlagen der preußischen Rheinprovinz aufbewahrt werden. Die Bezirksregierung in Düsseldorf, zu der die politische Polizei gehörte, hatte ein Verzeichnis der „Umstürzler und Socialdemokraten“ angelegt.

„Drei Männer aus Geldern, die sich freimütig zur Republik bekannten, führt diese Liste als Gründungsvorstand auf: Vorsitzender Carl Broeckmann, Zigarrenmacher, wohnhaft Nordwall 2 a, Kassierer Gustav Tichy, Metallarbeiter, Issumer Landstr. 59 und Schriftführer Gerhard van Wickeren, ebenfalls Zigarrenmacher, Ostwall 38. Bereits zwei Jahre zuvor führt ein Bericht der „Vereinspolizei“ einen sechsköpfigen Vorstand des Gelderner SPD-Ortsvereins auf. Alle Vorstandsmitglieder waren verbunden mit den „freien Gewerkschaften“, der sozialdemokratischen Gewerkschaftsbewegung“, erläutert Otto Weber.

„Als älteste, selbstbewusste und traditionsreiche Partei erinnern wir gerne an die schwierige Anfangszeit und den Mut der damaligen SPD-Gründungsmitglieder im Kreis Kleve, die uns auch heute Vorbild und Ansporn sein können, wenn es darum geht Haltung zu zeigen, gegen den zunehmenden Rechtspopulismus in Deutschland und Europa“, so Norbert Killewald, Vorsitzender der Kreis Klever SPD.

„Die Sozialdemokratische Partei gab es zwar schon seit 1863. Aber das Bismarcksche „Gesetz wider die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie“, bekannt als das „Sozialistengesetz“, verbannte viele Akteure in den Untergrund. Erst im Jahr 1890 wurde dieses Gesetz aufgehoben und es bildeten sich Parteigliederungen, die öffentliche Versammlungen abhielten. Gleichwohl blieb es bei Überwachung“, erläutert Otto Weber.

Otto Weber stieß bei seinen Recherchen auf verschiedene Zeitdokumente, die das Misstrauen gegenüber der Sozialdemokratie belegen: Auf die damalige Gründung reagierte die katholische und treu zur Monarchie stehende Niederrheinische Landeszeitung in ihren Nachrichten für Geldern scharf: „Sie wollen die gottgegebene Ordnung mit unserem Kaiser zerstören und hätten deshalb keine Chance.“ Trotz dieser Prophezeiung warnte sie im gleichen Atemzug mit martialischer Sprache vor der „Hartnäckigkeit, mit denen Sozialdemokraten ihre Ziele verfolgen, gegen die man sich bis an die Zähne bewaffnen müsse“. Auch ein Bürgermeister berichtete noch im Jahr 1914 pflichtgemäß an den Landrat: „Hetzer gibt es hier verhältnismäßig wenige“.

„Als nach dem Zusammenbruch des Kaiserreichs am 9. November 1918 der Sozialdemokrat Philipp Scheidemann in Berlin die Republik ausrief, dauerte es keine vier Wochen, bis am 4. Dezember 1918 die SPD in Geldern eine „Große Öffentliche Volksversammlung“ im Lokal der Witwe Gossens auf der Hartstraße durchführte“, so Norbert Killewald.

„Die Wirren der Nachkriegszeit des ersten Weltkriegs waren vor 100 Jahren auch in Geldern gegenwärtig“, hat Otto Weber recherchiert. „Zur Aufrechterhaltung der Ordnung bildete sich ein Arbeiter- und Soldatenrat, der die Gemeindeverwaltung übernahm. Diesem Gremium gehörten auch die „Gewerkschafter Broeckmann und Tichy“ an. Offensichtlich wurden sie in diesen Notzeiten gebraucht, wenn selbst die Niederrheinische Landeszeitung nach dem Hissen der roten Fahne auf dem Gelderner Rathaus am 15. November 1918 schrieb: „Möge der Arbeiter- und Soldatenrat unserem Gemeinwesen und dem Kreise auch weiterhin den in jetzigen Zeiten so dringend gebotenen Schutz zuteilwerden lassen“.

„In der Weimarer Republik kämpfte die SPD um die Demokratie, doch mit dem Verbot der Partei und der Verfolgung der SPD-Mitglieder durch die Nationalsozialisten dauerte es noch bis Mitte der 1960er-Jahre bis die Sozialdemokratie zum ersten Mal den Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland stellte. Auch im Kreis Kleve brachte die SPD hervorragende Persönlichkeiten hervor. Allen voran der langjährige Bundestagsabgeordnete und Ehrenbürger der Stadt Kevelaer Helmut Esters und Dr. Barbara Hendricks als ehemalige Bundesministerin und Schatzmeisterin der SPD“, ist Norbert Killewald stolz.

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