Kommentar: Hajü van Raay und Christiane Förster zu den CDU-Forderungen für Lüllingen

Am 13. September wird der Rat der Stadt Geldern für die kommenden fünf Jahre neu gewählt. Auch die Bürgerinnen und Bürger in Lüllingen haben das Wort. Die CDU ist mit ihren „Forderungen für Lüllingen“ medienwirksam vorgeprescht und fand in der allenfalls scheinbar neutralen örtlichen Presse den erwartbaren positiven Widerhall – man kennt sich schließlich und ist gut vernetzt. Spätestens nachdem ein Bürger via Facebook die Frage „Gibt es eigentlich nur die CDU in Lüllingen – wo sind die anderen Parteien?“ in den Raum gestellt hat, möchten wir darauf eine Antwort geben. Wir, das sind Christiane Förster für die BiG und Hajü van Raay für die SPD.

Im ersten Zugriff lautet die Antwort: Ja, nur die CDU hat einen eigenen Lüllinger Ortsverein, alle anderen Parteien existieren nur geldernweit. Im zweiten Zugriff möchten wir aber feststellen, dass auch Kandidat*innen anderer Parteien hier zur Wahl antreten und zwei davon auch hier leben – nämlich wir beide. Und auch wenn für uns die Bäume wahltechnisch hier nicht in den Himmel wachsen, so haben zumindest die interessierten Bürgerinnen und Bürger weitergehende Antworten verdient.

Geldern.Gemeinsam.Gestalten

 Hajü van Raay: Das ist der Wahlslogan der CDU Geldern und damit ist auch schon eine Menge zur Innovationskraft der CDU gesagt, denn dieser Slogan ist abgekupfert: aus dem Kommunalwahlprogramm der SPD Geldern von 2014. Aber seien wir mal nicht so kleinlich, schließlich ist Politik mehr als nur ein Slogan … 😉

150 000 € zur Förderung des Gelderner Einzelhandels und der Gastronomie

 Hajü van Raay: Die Unterstützung der örtlichen Wirtschaft ist ein gutes Ansinnen der CDU, übrigens unabhängig von Corona. Ich befürworte ohnehin das Einkaufen vor Ort anstatt bei Amazon! Leider sollen laut dem Antrag nur solche Unternehmen in den Genuss kommen, die dem Werbering angehören, darunter dann aber auch solche, die vergleichsweise regen Betrieb gerade während des Lockdowns hatten, alle anderen – die große Mehrheit – gingen dafür leer aus. Pikant überdies: Dieselbe CDU hat im Rat mit Blick auf die Haushaltslage verhindert, dass Familien die schon gezahlten Elternbeiträge für März in einer Höhe von etwa 75 000 € zurückgezahlt werden, nämlich für zwei Wochen, in denen diese die Betreuung ihrer Kinder coronabedingt anderweitig organisieren mussten. Für mich fehlen da sowohl Fingerspitzen-gefühl als auch der Gedanke der Fairness!

Informations- und Begegnungszentrum „Alte Schule Lüllingen“

 Christiane Förster: Die „Alte Schule Lüllingen“ ist ein gutes Projekt, hier wird dem interessierten Menschen in Zukunft Gartenbau und Tradition gut vermittelt. Es dient neben dem Dorfplatz den Lüllingern als ein weiterer gemeinnütziger Treffpunkt. Das Projekt „Alte Schule Lüllingen“ wird bereits jetzt durch Fördermittel der LAG Niederrhein e. V. sowie EU-Geldern mit einem LEADER-Zuschuss von 249 000 € und durch viele Spenden des eigens hierzu gegründeten Fördervereins unterstützt. Das Projekt „Alte Schule Lüllingen“ ist auf einem guten Weg!

Hajü van Raay: Auch ich war von Beginn an von der Idee angetan und es war keine Frage, dass ich dem Förderverein beitrete. Dem Natur- und Heimatverein gebührt hier ohne Zweifel das Verdienst, das Projekt angestoßen zu haben. Mit Willi Kelders steht nun im Förderverein ein eloquenter Mann an vorderster Front, der die Dinge zum Positiven führen wird. Ich sehe keinen Grund, weshalb aus der Politik – egal aus welcher Partei, hier im Bedarfsfall nicht zugearbeitet und unterstützt werden sollte!

Sportliches Angebot in Lüllingen

 Christiane Förster: Um ein größeres Angebot an sportlichen Aktivitäten mit den Sportvereinen gemeinsam auf den Weg zu bringen, bedarf es ebenfalls engagierter Bürger, die mit Elan an die Sache gehen, und nicht der Gelderner Ratspolitik. Politik kann unterstützen, aber in erster Linie liegt es bei den Vereinen und den Bürgern, Angebote zu schaffen.

Hajü van Raay: Das sehe ich ganz genauso! Wer sich zum Sport zusammentun will, braucht dazu zunächst einmal keine politische Partei, um sich zu finden. Das ist reines Wahlkampfgetöse. Allerdings ist es Aufgabe aller Parteien, die Bürgerschaft in ihrem Wunsch nach sportlicher Betätigung zu fördern, wenn sich herausstellt, dass es ohne Unterstützung seitens der Stadt Geldern nicht geht.

Sicherheit auf Lüllinger Straßen

 Christiane Förster: Seit Jahrzehnten hat Lüllingen ein Verkehrsproblem bei Sicherheit, Lärm und Abgasen. All das ist seit Jahren bekannt. Seit Jahren wird die Verkehrsproblematik zu Wahlzeiten ein Thema, seit Jahren ist wenig passiert. Ein Tempolimit nur ab dem Ortsschild und vor der kleinen Brücke, eine halbe Ampel und „Achtung“-Schilder – das ist dabei herausgekommen! Wenn allerdings neues Gewerbe angesiedelt werden soll, mit noch mehr Pkw- und Lkw-Verkehr, dann kommt wieder Fahrt in diese unendliche Geschichte. Wo bleibt da der Bürgerwille, wo bleiben da die Themen sicherer Schulweg, Ampel, Abgase und Lärm?

Hajü van Raay: Ein heikles Thema. Ich genieße den Komfort, außerhalb zu wohnen und den größten Teil der Lärmbelästigung nicht mitzubekommen. Aber auch ich habe bei drei Kindern morgens an der Bushaltestelle auf den Schulbus gewartet und fühlte mich oft nicht ganz unbefangen. Wir bezahlen hier den Preis für unsere Wirtschafts- und Lebensführung. Sicherheit gerade für unsere wehrlosesten Gesellschaftsmitglieder – Kinder und ältere Menschen – muss oberstes Gebot haben. Aber ich habe auch 2015 erlebt, wie wenig die Stadt selbst angesichts tragischer Ereignisse bewegen kann, wenn das Land NRW die Straße unterhält. Hier im Wahlkampf plötzlich mit einer Reihe von Vorschlägen um die Ecke zu kommen, halte ich für unredlich. Dann müsste ich jetzt fragen: Was hat die CDU die letzten Jahre gemacht? Wenn das jetzt plötzlich alles geht, warum nicht schon viel früher? Ich fühle mich da verschaukelt!

 Erschließung weiterer Baugebiete

 Christiane Förster: Frage: Wie viele junge Familien haben ihren Wunsch nach einem Eigenheim in Lüllingen bisher erfüllt, wie viel Bedarf besteht wirklich, wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass junge Familien sich in Lüllingen mit Eigentum ansiedeln? Wenn Bedarf an weiterem Bauland für den Zuzug junger Familien besteht, so müsste dieser Bedarf auch für die Zukunft geschützt werden. Das heißt, Bauland ausschließlich und nur für junge Familien. Das Bauland müsste dann exklusiv für weitere Familien mit kleinen Kindern und nicht als Anlageobjekt für Betongold zur Verfügung stehen. Nur so kann garantiert werden, dass junge Familien den Weg in unser Dorf finden und wir nicht in ein paar Jahren wieder da stehen und mit den gleichen Argumenten wertvolles Ackerland, Wiesen und Naturland zur Versiegelung ausschreiben. Und wer weiß, vielleicht bekäme dann der Gedanke einer eigenen Kindertagesstätte somit auch einen Sinn.

Utopie dürfte der Gedanke zum Ansiedeln einer Kita in dieser Phase sein! Da will man prüfen, ob in Lüllingen die Möglichkeit zum Aufbau einer Kita besteht. Zumindest verspricht man hier nur eine Möglichkeit der Prüfung. Kitas in der heutigen Zeit sind keine Verwahranstalten, Kitas von heute müssen einen hohen Standard an Pädagogik gewährleisten. Dieses Projekt in Lüllingen zu prüfen, scheitert bereits an den unterschiedlichen Anforderungen der Altersgruppen von zwei Jahren bis zur Einschulung. Da macht es mehr Sinn, einen Raum für eine Tagesmutterstelle zu schaffen, dieses könnte man zu mindest im Zuge der Gemeinnützigkeit „Alte Schule Lüllingen“ ins Auge fassen, das wäre realistisch.

Hajü van Raay: Meine Frau und ich haben uns für unsere drei Kinder nicht für die nächstgelegene, sondern die aus unserer Sicht beste Kindertagesstätte entschieden. Ich stünde einer Bedarfsabfrage aber offen gegenüber. Jeder soll nach seiner Faҫon glücklich werden, und als Lehrer bin ich für neue pädagogische Modelle auch in kleinen Ortschaften immer grundsätzlich offen. Wer weiß, was eine Bedarfsabfrage für Bürgerwünsche an den Tag fördert …

Christiane Förster: Was mir bei den CDU-Forderungen fehlt, sind die großen Themen der Gegenwart und Zukunft: Klimaerwärmung, Umweltschutz, demografischer Wandel, Umstrukturierung des ÖPNV wie z. B. mehr Taktung in kleineren Bussen und angepasste bürgernahe Zustiegsmöglichkeiten. Wie sollen unsere älteren oder nicht so mobilen Bürgerinnen und Bürger zur Bushaltestelle gelangen, wenn diese über 1,5 km entfernt ist? Hier muss Abhilfe geschaffen werden. Umwelt- und Artenschutz scheint in Lüllingen kein Thema zu sein, hier ist die Welt noch in Ordnung und die Themen Klimawandel, Artensterben und Wasserknappheit machen einen großen Bogen um Lüllingen. Wenn wir unseren Kindern und Enkeln noch eine einigermaßen lebenswerte Zukunft gönnen wollen, kann Lüllingen bei diesen Themen nicht die Augen verschließen und so tun, als ginge das nur die an, die in der „großen Politik“ sitzen. Alles fängt im Kleinen an und wächst dann nach oben, so sind die Gesetze der Natur, alles Handeln zeigt Wirkung, das sollten wir nicht beiseite schieben. Wir sind ein Dorf und wir sind eine Gemeinschaft – unser Handeln sollte allen Lüllinger Bürgerinnen und Bürger zugutekommen.

Hajü van Raay: Viele Problemfelder können wir nicht alleine auf kommunaler Ebene erfolgreich beackern, dazu braucht es auch die „große Politik“. Und in der Tat finde ich: Hier in Lüllingen IST die Welt noch in vielen Bereichen in Ordnung! Ich lebe gerne hier! Michael Opgenhoffs Ziel ist: „Im Heidedorf ist es am schönsten.“ So weit würde ich nicht gehen. Es gibt viele schöne Orte auf dieser Welt, aber Lüllingen gehört zweifellos dazu. Das soll auch so bleiben! Deswegen darf es meiner Meinung nach keine absolute Mehrheit einer Partei im Rat geben. Zur Lösung der drängenden Probleme unserer Zeit, im Großen wie im Kleinen, müssen letztlich alle gemeinsam ran, da braucht es mehr Vielfalt und mehr kreative Ideen aus allen demokratischen Richtungen!

One thought on “Kommentar: Hajü van Raay und Christiane Förster zu den CDU-Forderungen für Lüllingen

  1. Sehr gute Analyse, wunderbare Visionen, parteiübergreifend, so kann erfolgreiche Kommunalpolitik für die Ortschaft und die Menschen, die dort leben, aussehen. Bravo

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